2025 May 8 – Mainz/Tonelli/Centazzo&Groebel
May 8, 20:30h – Morphine Raum
Köpenicker Str. 147, 10997 Berlin, Hinterhof 1. Etage
Mainz/Tonelli/Centazzo&Groebel
Der bildende Künstler Matthias Groebel und der transdisziplinäre improvisierende Musiker Matthias Mainz verfolgen sich gegenseitig seit Beginn der 2000er Jahre. Nachdem mit Skullhop in diesem Jahr dabei eine erste Zusammenarbeit von Groebel und Mainz aus dem Jahr 2003 in Groebels Solo-Show Skull Fuck in Modern Art, London ausgestellt worden ist, hat sich Groebel für den 8. Mai ein Wunschtrio aus den letzten Arbeiten von Mainz zusammengestellt, um Audiomaterial für neue gemeinsame Arbeiten generieren zu können. Im Trio von Matthias Mainz mit dem kanadischen Soundpoeten Chris Tonelli und dem italo-amerikanischen Perkussionisten Andrea Centazzo entstehen teils lautpoetische, teils aggressive Prosamonologe zusammen mit perkussiven minimalistische Ideen und stilistischen Ausbrüchen aus der Materialsammlung des 20. Jahrhunderts von Jazz, Minimal, Free Jazz und Neuer Musik.
Chris Tonelli - Prosa, Lyrik, Soundsinging
Andrea Centazzo - Framedrums, Cymbals, MalletKAT
Matthias Mainz - präpariertes und unpräpariertes Piano, elektro-mechanische Miniheimorgeln aus Internetfundstücken Groebels
Matthias Groebel - Montagen aus Videoarbeiten der frühen 2000er Jahre, die sich zum Teil im Archiv der Stiftung imai in Düsseldorf und in der Sammlung der Bundesrepublik Deutschland befinden. "Trusted Faces" wird derzeit im Albertinum in Dresden gezeigt.
Photocredits: Dark Fred/Matthias Groebel; Andrea Centazzo_Sunglasses/Matthias Mainz; Andrea Centazzo_Percussion/David Neumann; Chris Tonelli/Mark-Steffen Göwecke; Matthias Mainz_Keyboard/Nikolaus Neuser; Groebel/Constantine//Spence
Groebel/Mainz
Groebel und Mainz begegneten sich Anfang der 2000er Jahre als Nachbarn in Loftwohnungen eines aufgelassenen Industrielagers in Köln. Die Nutzung industrieller Brachen im Kölner Norden durch Künstler und Kreative um die Jahrtausendwende war nicht nur der Anfang der Gentrifizierung, sie bot auch Gelegenheit zu Begegnung von Künstlern verschiedener Disziplinen. Matthias Groebels erste Malmaschine und die transdisziplinären Improvisationen von Matthias Mainz begegneten sich hier in neugieriger Nachbarschaft. Mainz und Groebel kollaborierten seitdem in einigen Videoarbeiten und stehen seitdem in engem Austausch. Was Groebel und Mainz vielleicht am deutlichsten verbindet ist eine denkerische akribische Detailarbeit in der vorbereitenden Planung prozesshafter Settings, die mit einem Anteil anarchischer Lust in jeden Moment durch sich selbst zu Fall gebracht werden können. Gemeinsame Überschneidungen in der Hinwendung zu den obskuren Offszenen der Sub- und Hochkulturen der 60er Jahre an den Grenzen von Psych-Rock und Freejazz tun ihr übriges. Mit Skullhop ist in diesem Jahr dabei eine erste Zusammenarbeit von Groebel und Mainz aus dem Jahr 2003 in Groebels Solo-Show Skull Fuck in Modern Art, London ausgestellt worden.
Matthias Mainz arbeitet seit 2000 in wechselnden drei bis fünf Jahreszyklen an der Durchdringung politischer Zeitthemen in Montagen aus Materialien und Methoden aus performativen und bildenden Kunstformen in immer je neuen Genre-und Milieukontexten mit musikalisch-multistilistischen Konzepten zwischen Improvisation und Komposition in Jazz, Neuer und Elektronischer Musik zu transmedialen Environment-Performances, über Arbeiten mit Theater und Tanztheater zu konzeptionellen und kuratorischen Kontexten Transkultureller und Neuer Musik. Seine musikalisches Fundament als konzeptionell denkender improvisierender Musiker erweist sich dabei als verbindendes durchgehendes Motiv, in dem die Roheit und Direktheit aus Geräusch, Elektronik und Free-Jazz mit der Zartheit leisester Geräusche und stilistischer Rückbindungen bis hin zu spätromantischer Freitonalität in einem paradox miteinander verbundenen Zustand beständiger improvisatorischer Offenheit liegen.
Matthias Groebel arbeitet seit den späten 80er Jahren konsequent an der Transformation und Dekonstruktion medialer Abbildung durch Maschinenmalerei im einem selbstgestalteten DIY-Kosmos, dessen Besonderheit sich vielleicht gerade aus der vollkommenen Unabhängigkeit von vorherrschenden künstlerischen Narrativen und den sozialen Hierarchien des Kunstbetriebes herleitet. In den letzten Jahren werden die Arbeiten von Groebel von einer neuen Generation Kunstschauender gelesen als faszinierende Begegnung von Medienarchäologie, als rückblickend vorausschauende Infragestellung von Autor und Maschinenwerk und als eigenständiges aesthetisches Werk, dessen transformatorisch-prozesshafter Charakter den direkten Blick auf und die Konstruktion von medialer und malender Abbildung in einem unbstimmt changierenden Verhältnis lässt.
Chris Tonelli assembliert Texte und improvisiert mit Sprache und abstrakten Klängen. Seit den frühen 2010er Jahren collagiert Tonelli gefundene Textstücke zu Matrizen, aus denen er in seinen Performances lautstark poetisches, oft absurdes und kritisches Material generiert. Tonelli ist Assistenzprofessor für Geschichte und Theorie der populären Musik an der Universität Groningen und hat den Band Voices Found: Free Jazz & Singing“ über die Geschichte und Theorie extranormaler Vokaltechniken und Improvisation veröffentlicht.
Andrea Centazzo hat seit den 70er Jahren mit dem Who is Who der europäischen und amerikanischen Avantgarde des Creative Jazz und der Improvisationsmusik gearbeitet und veröffentlich seit 1976 unter dem eigenen Label Ictus. Centazzo spielt auf einem selbstentwickelten Setup aus gestimmten Framdrums, Gongs und Cymbals. Centazzos Spiel vereint Einflüsse aus Free-Jazz und Minimal Music und der Einsatz von Sampletriggern über die Bass-Framedrums erinnert an den musikalischen Postmodernismus der späten achtziger Jahre. Centazzo improvisierte mit Musikern wie Evan Parker, John Zorn, Derek Baily, Steve Lacy, Don Cherry, Lester Bowie, Albert Mangelsdorf und Ernst-Ludwig Petrowski. Zwischen 1979 bis 1986 führte er die europäische Improvisationsavantgarde mit u.a. Gianluigi Trovesi, Theo Jörgensmann, Franz Koglmann, Carlos Zingaro, und Mark Dresser im Mitteleuropa Orchestra zusammen. Als Komponist unter dem Einfluss der Minimal Music stehend hat Centazzo musiktheatrale Werke komponiert und seit Anfang der 80er Jahren an Konzepten von Klang und Video gearbeitet.